Meyerhoff ist Schauspieler und langjähriges Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. Hier trat er als Erzähler seines eigenen Lebens auf die Bühne. Und aus eben diesem Theatertext entstand (welches Glück!) der Roman- Zyklus „Alle Toten fliegen hoch". Jetzt erschien mit „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" der dritte Teil.
In Teil eins „Amerika" erzählt Meyerhoff von seinem Austauschjahr als Schüler, das vom Tod seines mittleren Bruders überschattet ist.
In „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" erleben wir ihn in seiner Kindheit , die er als Sohn eines Psychiatriedirektors samt Familie auf dem Klinikgelände verbringt.
Im aktuellen Roman nun macht er sich 20-jährig auf nach München, um an der renommierten Otto-Falckenberg-Schule Schauspieler zu werden. Und er erzählt von seinen Großeltern, bei denen er während der Ausbildung im „rosa Zimmer" der Villa am Nymphenburger Park wohnt.
Beide Erzählebenen sind voller Situationskomik. Er erzählt pointiert, detailgetreu, treffsicher und urkomisch.
Ich könnte ihm dabei ewig zuhören. Egal ob er von Stimmübungen, Singstunden, merkwürdigen Improvisationsübungen in der Schauspielschule, oder von den vielen Stunden im Großelternhaus berichtet. Immer wieder kippt das Komische ins Tragische und dieser Spagat gelingt ihm stets - genau das zeichnet dieses Buch aus.
Bei seiner Fabulierkunst kommt auch der Schauspieler durch. Gekonnt jongliert er mit den Worten, er versteht es zu überraschen und zu unterhalten.
Großartig ist die Szene, als er Effi Briest als Nilpferd spielen soll, dabei tragisch scheitert und sich einmal mehr fragt: „Was mach ich da eigentlich?".
Die Großelternwelt beschreibt er liebevoll und als eine Mischung aus skurrilen Ritualen und altersklugem Pragmatismus. Es hat mich berührt, wie diese beiden alten Menschen miteinander und mit ihrem Enkel, dem „Lieberling", umgehen.
Der Großvater ist ein emeritierter Philosophieprofessor, die Großmutter, einst selbst Schauspielerin, eine exzentrische Dame.
Meyerhoff erzählt vom gepflegten Alkoholkonsum der Großeltern; da werden schon zum Frühstück die Tabletten mit Champagner genommen und von tiefgehenden Gesprächen beim abendlichen Zusammensein. Beim Lesen spürt man Liebe und Zuneigung zwischen den Zeilen.
Eine - wie ich finde- wunderbare Stelle im Buch verdeutlicht dies:
Meyerhoff ist gerade bei den Großeltern ausgezogen, um sein erstes Engagement anzutreten, da findet er einen Zettel der Großmutter:
„Gute Fahrt, mein über alles geliebter Lieberling, Hermann und ich werden die Stille genießen und Dich schrecklich vermissen. Das waren gute und nahe Jahre. Wir wollen Dir von Herzen danken für Dein „Dabeisein". Lebe wohl und glaube an Dich! Deine Großmutter". Und dann fügt sie noch ein Zitat von Paul Celan an:
„Es ist Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt, dass der Unrast ein Herz schlägt. Es ist Zeit, dass es Zeit wird."
Wunderbar! Meyerhoff ist ein begnadeter Unterhalter, das beweist er auch wieder in diesem Roman. Übrigens: Alle drei Teile kann man unabhängig voneinander lesen.
gelesen von Katja Meyer
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