Der 1976 geborene Autor legt auf über 800 Seiten (nicht erschrecken, keine davon ist zuviel) ein absolut lesenswertes Buch vor.
Es geht um das kleinstädtische Leben in den USA der 60er Jahre, um die 68er Unruhen in Chicago bis hin zur Occupy- Bewegung.
Hill erzählt auf drei Zeitebenen: 1968, 1988 und 2011. Hierbei verbindet er sehr gekonnt viele Handlungsstränge miteinander, und die Geschichte bleibt bis zum Ende packend und grandios erzählt. Ein echter Schmöker, den man bestimmt nicht aus der Hand legt.
Es geht um Samuel Anderson, einen Professor für englische Literatur, der nicht richtig im Leben klarkommt. So verbringt er 40 Stunden wöchentlich im digitalen Schutzraum eines Computerspiels „World of Escape“ und schießt Orks ab.
Der Anruf einer Anwaltskanzlei stellt sein Leben auf den Kopf.
Als Kind von seiner Mutter verlassen und von Schuldgefühlen geplagt, bittet diese ihn nun um Hilfe. Denn sie hat den amtierenden Präsidentschaftskandidaten mit Kieseln attackiert und damit ein mediales Großereignis ausgelöst: „ Radikale 68erin attackiert Gouverneur Packer.“
Samuel wittert die Chance, sein Leben aufzuräumen, sich an der Mutter zu rächen und auch finanziell seine Lage zu verbessern. Denn den Vorschuss vom Verlag für ein Romanprojekt hat er längst verpulvert. Jetzt kann er den Verleger versöhnen mit der Geschichte über die Packer-Attentäterin aus erster Hand, aus der Hand des Sohnes.
Er begibt sich auf die Suche nach der Mutter und erzählt seine Familien,- und Lebensgeschichte.
Darin findet sich auch Raum für die Liebe, denn all sein Denken, Handeln und Fühlen dreht sich um Bethany, die Zwillingsschwester seines Jugendfreundes, die für ihn als gefeierte Starviolinistin
unerreichbar scheint.
Hat er nun die Chance, sie als Autor auf sich aufmerksam zu machen, hat plötzlich alles einen Sinn?
Während Samuel sich noch über eine Studentin aufregt, die beim Hamlet- Aufsatz geschummelt hat (eine grandiose, absolut gelungene Campusszene ), gerät die Mutter-Sohn-Aufarbeitung ins Rollen.
Es geht Hill um die Frage nach der Bedeutung von Entscheidungen im Leben und wie man mit Zweifeln umgeht. Die Frage des Romans ist, wie man es denn eigentlich führt so ein Leben.
Hill lässt bei der Beantwortung die unterschiedlichsten Figuren sprechen, immer umgeben von den titelgebenden Geistern der norwegischen Vorfahren Samuels.
Er führt geschickt Lebensgeschichten zusammen, als Leser ist man mittendrin und neugierig.
Sei es bei den Porträts der US-Soldaten, die im Irak sind, oder bei der Episode der Studentin, die fast nur in Social- Media-Gruppen lebt, oder bei der tragikomischen Schilderung des Mannes, der an seiner Online- Videospielsucht zugrunde geht,- jeder Charakter ist es wert, in diesem Roman eine Rolle zu spielen.
Mich hat Hill mit diesem komplexen Erzählgeflecht überzeugt. Man kann den Roman lesen, wie man mag, als hochpolitischen Gesellschaftsroman, als Liebesgeschichte, oder als Mutter- Sohn-Drama. „ Geister“ ist ein wunderbares Buch, dem ich viele weitere Leser wünsche!
gelesen von Milena Hillingmeier
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