Mitten im ländlich-kalten Colorado soll die Siebzehnjährige zwischen Kühen, Pferden und zwei älteren Männern die folgende Zeit verbringen, ein zunächst seltsam erscheinendes Bild. Doch mit der Zeit wächst Vertrauen zwischen den Dreien, und beide Seiten können von einander lernen. Was von außen betrachtet wie eine fragwürdige Konstellation aussehen mag, wächst zu einer platonischen Freundschaft heran.
Währenddessen haben die neun und zehn Jahre alten Brüder Ike und Bobby mit der Trennung von ihrer Mutter zu kämpfen, die aufgrund ihrer psychischen Labilität in eine andere Stadt zieht. Gleichzeitig erleben sie das typisch-kindliche Landleben auf der Farm ihres Vaters.
Gleichzeitig droht ein brutaler Teenager von der Schule zu fliegen, zudem bietet er einem Kumpel Sex mit seiner Freundin in einem verlassenen Haus an. Die stolzen Eltern stehen mit Scheuklappen daneben und es kommt zu Konflikten mit dem Lehrpersonal- unter anderem dem Vater von Ike und Bobby.
Mit den voranschreitenden 9 Monaten der Schwangerschaft beginnen sich die unterschiedlichen Schicksale immer mehr mit einander zu verflechten. Beziehungen entstehen, weitere brechen auf, verenden. Jeder Charakter spielt seine eigene Rolle, die eine eigene Geschichte erzählt. Eigene Probleme mit neuen und alten Menschen.
Der Roman ist wie ein Zimmer voller Nischen. Jede ist eigen und interessant, individuelle Winkel charakterisieren, aber erst zusammen ergeben sie den Raum als Ganzes.
Einst einsame alte Brüder erfahren, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Gleichzeitig lernen junge Brüder mit Abschied und Trennung umzugehen. Klischees werden bestätigt , andere zerstört. Die Palette des Lebens. Zartheit und Gewalt begegnen sich so selbstverständlich, dass man sie nicht sofort unterscheiden kann.
So wirkt eine über mehrere Seiten geschilderte Obduktion eines Pferdes fast schon ästhetisch und kunstvoll. Präzise Beschreibungen der Schnitte erschaffen genaue Bilder, man hat das Gefühl, direkt daneben zu stehen. Ein andermal werden ganze Tage einzelner Protagonisten nur summarisch beschrieben, die temporäre Monotonie des Lebens wird deutlich. Dabei ist die zeitweilige Kälte in Holt zu spüren, die die tägliche Arbeit zusätzlich erschwert und eine erstarrte Atmosphäre schafft.
Die Emotionen der Charaktere kommen sehr objektiv und trivial zum Vorschein. Die Gefühle werden realitätstreu, ohne Übertreibung dargestellt. Kents Worte sind so klar und einfach, dass genug Raum für eigene Gedanken bleibt.
Subjektive Ansichten sind nicht relevant für die Identifikation oder das Nachvollziehen der Gefühle der Protagonisten, aufgrund dieser klaren Beschreibungen. Gerade weil er die Emotionalität so stark reduziert und rational darstellt, wirkt der Roman sehr authentisch. Die Bewohner von Holt atmen und agieren wie jeder normale Sterbliche. Sie machen Fehler und erfahren diese, sie lieben sich und sie verlassen sich. Und sie erinnern an eigene Fehler und falsche oder gute Gedanken.
Lied der Weite ist ein Schnitt quer durch die Perspektiven von sieben Menschen, deren Schicksale und Entscheidungen direkt und indirekt miteinander zusammen hängen. Alle erleben, empfinden, verletzen. All das wird ohne Wertung erzählt.
Kent betont trotzdem, was es heißt zu leben. Zu akzeptieren, was nicht zu ändern ist, zu entscheiden was wichtig ist und was nicht. Dass es meist nur auf die Menschen ankommt, die man seine Freunde nennt.
Gelesen von Martha Weiss
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