Ulrike
Ungar

Lotte
Willigalla

Carsten
Keller

Ursula
Lewis

Mareike
Schneider

Silke
Müller


Ehemalige


Gastbeiträge

Buchempfehlung

Drei sind ein Dorf

Dina Nayeri -Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Der Roman Drei sind ein Dorf der iranisch-US-amerikanischen Schriftstellerin Dina Nayeri hat mich dieses Jahr vielleicht am meisten berührt. Er handelt von einer jungen Frau, die 1987 als Kind mit ihrer Mutter und ihrem Bruder den Iran gen Westen verlässt. Der Vater, Baba, bleibt zurück.

Dreisindein Dorf Keinund Aber
Autor
Dina Nayeri -Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
Seiten
366
Verlag
Kein & Aber
Veröffentlicht
Mai 2020
€ 14,-

nach Hause liefern lassen
oder im Laden abholen.

Shop
post@buechergilde-mainz.de

Mareike
Schneider

alle Empfehlungen

Über Dubai und Rom gelangen die drei schließlich nach Oklahoma, USA. Nilou gelingt der gesellschaftliche Aufstieg. Sie schließt die Elite Universität Yale mit einem Doktortitel ab und einer wissenschaftlichen Karriere steht nichts im Weg. Mit ihrem Partner, lebt sie nun in Amsterdam, er steigt immer weiter auf in einer Kanzlei, während sie an der Uni am Anthroposophischen Institut lehrt.

Doch sie ist eine stetig Suchende. Ein Schicksal, dass sie mit vielen Geflüchteten teilt. Tief in sich spürt sie ihre persischen Wurzeln, denen sie viel zu lange keine Aufmerksamkeit schenkte.

Während des ganzen Romans steht Baba, ihr Vater, Pate für all das, was Nilou zurücklassen musste.

Er ist ein eher konfliktscheuer Mensch, der die alten persischen Dichter, gutes Essen und Opium liebt.

Man könnte ihn als Träumer und leicht realitätsfernen aber zutiefst gutmütigen Menschen beschreiben. Aus der Ferne sieht er seiner zum Perfektionismus neigenden Tochter zu, wie sie immer westlicher wird.

Als er erfährt, dass seine Frau Pari mit den beiden Kindern das Land verlassen wird, fährt er mit der damals achtjährigen Nilou in sein Heimatdorf. Er bittet sie, sich alles genau einzuprägen und zeigt ihr seine Lieblingsorte. Lässt sie seine Lieblingsfrüchte schmecken und erzählt ihr seine Lieblingsgeschichten.

Die Tochter, die seit jeher begierig darauf ist, alles richtig zu machen, versteht zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es seine Art des Abschiednehmens ist.

Erst viele Jahre später, als sie Anfang 30 ist, also im Alter ihres Vaters, als die Familie auseinanderging, erinnert sie sich an Babas Worte: „Wenn du älter bist, werden dir große, schöne Flügel wachsen. Du wirst viele gebildete Menschen kennen und vieles machen und erleben. Aber jedes Mal, wenn du deinen Baba siehst, werde ich dir ein Bild und eine Geschichte von hier mitbringen, damit du nicht ins Vergessen davonfliegst.“

Nilous Geschichte ähnelt sehr der von Dina Nayeri. Dennoch ist es ein Roman, in dem die Autorin geschickt selbst erlebtes mit Ereignissen der immer noch aktuellen Flüchtlingssituation verbindet. Die Zustände in den Auffanglagern haben sich nicht wesentlich verbessert.

Die Autorin selbst sagt, dass sie unfassbares Glück hatte. Flucht und Emigration sind ihre großen Themen, die sie auch in zwei weiteren Romanen behandelt. Sie schaut genau hin, hört zu und schreibt die Geschichten der Ungehörten auf.

In Drei sind ein Dorfkreuzen sich eines Tages Nilous Wege, mit denen jüngst geflüchteter Systemkritiker aus dem Iran.

Sie beginnt abends Kulturveranstaltungen, die von persischen Flüchtlingen organisiert werden zu besuchen. Dort werden Gedichte gelesen, es treten Folkbands auf, aber auch niederländische Musiker und sie hört eine Podiumsdiskussion eines niederländischen Lokalpolitikers.

Immer tiefer taucht sie in ihre „alte“ Welt ein. Sie schließt Freundschaften und versucht die Landsleute zu unterstützen. Diese stehen im Iran häufig wegen irgendwelcher Sittenvergehen, wie Underground-Musik, Homosexualität, Kontakte zu intellektuellen Ahmadinedschad-Gegnern unter Anklage und es droht ihnen die Abschiebung.

Gleichzeitig zerfällt das Leben, das sie sich so hart aufgebaut hat.

Nun ist es Baba, ihr Vater, der den Iran verlässt, um in einer runtergekommenen Absteige in Amsterdam, seiner Tochter ein Dorf aus Liebe zu bauen.

„Sie waren zu dritt, und drei waren genug. Sie waren ein Dorf.“

Der Roman hat mich tief berührt und zum Nachdenken angeregt. Ein sehr kluges und einfühlsames Buch.

Hier ein paar Stimmen aus dem Feuilleton:

Drei sind ein Dorf ist ein Appell an die Menschlichkeit – und gleichzeitig ein Roman über die Liebe, über Sehnsucht und Verletzungen, ein kluger, vielschichtiger Roman von einer Autorin, die genau weiß, wovon sie spricht.“

Dina Nayeris Sprache kann man schmecken. Sie schmeckt nach süßen Aprikosen, außen weich und sanft, innen mit einem harten Kern. (...) Nayeri ist eine Meisterin darin, Entfremdungen in Familien, besonders jenen mit Migrationsgeschichte, nachzuzeichnen.“

taz

Drei sind ein Dorf ist ein rasantes, gewitztes Buch mit starken Charakteren.“

Deutschlandfunk


Mareike
Schneider

Kommentare

Weitere Buchempfehlungen von
Mareike Schneider