Die Kölnerin, die in Hamburg lebt, steigt dann einfach an den Landungsbrücken auf den Katamaran, der sie in wenigen Stunden auf Deutschlands einzige Hochseeinsel bringt. "Beim Geschichtenschreiben muss man allein sein. Hunde stören dabei. (Aber Katzen nicht.)" zitiert Isabel Bogdan gleich zu Beginn den wunderbaren James Krüss, der das schon in Mein Urgroßvater und ich (dem Helgolandbuch schlechthin) manifestierte.
Eine Insel eignet sich da ganz prima, findet Isabel Bogdan. Vor allem eine, die nicht gerade für Südseewetterlagen bekannt ist. Wenn man muckelig untergebracht ist und nicht in der Saison dort ist, hat man alle Zeit der Welt, in Schreibklausur zu gehen. Zuhause sei sie viel zu abgelenkt um konzentriert arbeiten zu können - wer kennt das nicht ...?!
In Mein Helgoland beschreibt Isabel Bogdan nicht nur die Eigenheiten der Insel, auf die sie mit liebevollem Blick schaut, sondern sie gewährt immer wieder Einblicke in ihr ganz eigenes Schreiben. Zum Beispiel, wie sie sich das Hirn zermartert, stundenlang auf Ideen rumkaut, immer wieder Zwischenschritte an ihre Lektorin schickt und neuen Antrieb gewinnt, wenn sie mal den Laptop zuklappt und sich etwas ganz anderem widmet. Wie sie dann doch in Panik gerät, wenn der Abgabetermin immer näher rückt. So schön menschlich, diese tolle Autorin und Literaturübersetzerin (u.a. Jane Gardam, Nick Hornby, Jonathan Safran Foer).
Auf Helgoland schlüpft sie in wetterfeste Kleidung und marschiert um die Insel, wenn sie mal mit dem Text nicht weiterkommt.
Wer schon mal auf Helgoland war, erinnert sich vielleicht noch an die ungewöhnliche Struktur der Insel. Das Unterland ist geprägt von alltäglicher Umtriebigkeit, dort sind die kleinen Geschäfte zu finden, der Hafen natürlich, die aus der Zeit gefallenen, kleinen Hummerbuden und das Inselkrankenhaus.
Von einer Klassenfahrt in der 7. Klasse erinnere mich noch sehr gut, wie spektakulär ich es fand, mit einem Aufzug, der direkt am Felsen entlanggebaut ist, ins Oberland zu gelangen. Dort steht man dann direkt im Wohngebiet, sieht rundum immer, wirklich immer(!) das Meer, spaziert noch ein paar wenige Schritte und ist dann mitten in der herrlichen, rauen Natur. Salzwiesen unter den Füßen, Wind in den Ohren, blauer Himmel über dem Kopf und den weiten, weiten Ozean vor Augen.
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man in dieser Umgebung den Kopf frei bekommt und Energie tanken kann.
Um nun aber nicht nur mit dem verklärten Blick einer Besucherin die Insel zu beschreiben, geht Isabel Bogdan auf echte Insulaner*innen zu. So erzählt ihr die Schulleiterin der Helgoländer Schule, dass die Kinder durchaus Verkehrserziehung lernen, auch wenn es auf Helgoland gar keinen Verkehr gibt. Sie begleitet den Dünenchef - die Düne ist die kleine Insel nebenan, die auch zu Helgoland gehört (ein Stadtteil sozusagen) - Michael Janßen ein Stück auf seiner Arbeitsroute. Er ist für den Campingplatz, die Strandkörbe, die Robben und andere Tiere, das Pflanzen von Sträuchern und eigentlich alles zuständig.
Sie begibt sich auf einen sehr umsichtigen Streifzug mit einem Ornithologen, von dem sie ein völlig neues Vokabular lernt und noch so einiges mehr.
Während des Lesens hatte ich stets das Gefühl Seite an Seite mit Isabel Bogdan diese sehr liebenswerte, winzigkleine Hochseeinsel zu erkunden. Ich schließe meine Empfehlung mit einem James Krüss-Gedicht, mit dem das Buch beginnt:
Irgendwo ins grüne Meer
Hat ein Gott mit leichtem Pinsel
Lächelnd, wie von ungefähr,
Einen Fleck getupft: Die Insel!
Und dann hat er, gutgelaunt,
Menschen diesem Fels gegeben
Und den Menschen zugeraunt:
Liebt die Welt und lebt das Leben!
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